Die SPD hat sich ihren bildgewaltigen Wahlkampf einiges kosten lassen. Das war schon sehr professionell. Das war eine veritable Plakat-Kampagne. Die Protagonisten lichteten sich reihum mit allen und für alle ab, vom Kind bis zum alten Menschen.

Das inszenierte Model spielte bei der SPD in diesem Wahlkampf die Hauptrolle, es ist omnipräsent und das sogar selbst noch dort, wo es gar nicht abgelichtet ist.

Ein Beispiel: Auf dem Plakat unten ist die Tochter des Bürgermeisterkandidaten so platziert, dass sie ganz klar Mittelpunkt der sich um sie scharenden Frauengruppe ist. Die weißen Hilfslinien machen es deutlich. Losgelöst von sonstigen Spekulationen, die sich einem daraus aufdrängen könnten: Wer beide Personen kennt, denkt Seebald. Den sieht er zwar beim Weiterfahren gleich noch mehrfach, aber auch auf diesem Plakat war er – indirekt – präsent. Das Werbe-Ziel ist so gleich mehrfach erreicht.

Genauso gut durchdacht und gewählt ist der Standort: Wenn auch gar nicht passend zum feministischen Slogan „100 jahre Frauenwahlrecht“, hängt das Riesenplakat „nur mit Frauen“ dort, wo die Kampagnen-Regie die Frauen nunmal verortet: In der Nähe eines Supermarktes. Und was sagt die Wahlwerbung: Frauen entscheiden öfter als Männer spontan und ganz am Schluss. Dahinter steckt also eine ganze Menge Kalkül.

Ein ähnlicher Prozess wird auf dem nächsten Plakat sichtbar: Die weißen Linien treffen sich im optischen Bildschwerpunkt „Tochter“, von dem aus aber das Auge wie selbstverständlich gleich zum eigentlich beworbenen Objekt gelenkt wird, dem klein und eigentlich unscheinbar und ganz entspannt am Bildrand stehenden Kandidaten Karl-Heinz Seebald. Das kann man durchaus „Manipulation“ nennen. Alles in den durch die Linie gebildeten vier Feldern sieht zwar auch ganz nett bunt aus, spielt aber allenfalls für den Zweiteindruck eine Rolle. Da passt also alles, auf diesem Plakat. (Test: Wenn Sie es auch so sehen, hat die Manipulation gewirkt.)

Quelle: Facebook

Die Kampagne ist also sehr gut gemacht. Hoffentlich nicht so gut, dass es die großartige Entscheidung der CDU, den für Plakate vorgesehenen Teil ihres Wahlbudgets an das Hospiz zu spenden, vergessen macht.

Doch zurück zu den Männern, den Kandidaten: Der eine, Michael Cullmann, gefiel und gerierte sich auf Plakaten in der Pose des dynamischen Hans Dampf in allen Gassen. Der andere, Karl-Heinz Seebald, gefiel und gerierte sich in erlesener Eleganz in der Attitüde des Elder Statesman. Auffallend: Die Wertigkeit der Models an sich ist bei beiden erkennbar das Allerwichtigste, denn das, was für Programmatik steht, das Kürzel „SPD“ ist trotz roter Farbe kaum erkennbar.

Fotos: HP Cullmann – Fotomontage: P.Gläser

Die Plakat-Kampagne der SPD fasziniert und stößt gleichzeitig ab. Denn wie das Narrenkostüm immer beides zeigt, den wahren Menschen unter der Maske und auch seine Träume, zeigt auch die fotografierte narzisstische Selbstdarstellung beides, Maskerade und Wahrheit.

Es lohnt sich also, genau hinzuschauen und dann abzuschätzen, inwieweit die oft sehr vordergründig beabsichtigte Wirkung des Models inklusive der daneben plakatierten emotionalen Worthülsen mit dem Orignal-Menschen übereinstimmt.

Ein durchaus lohnenswerter Prozess, der Mühe wert, bevor Sie Ihr Kreuzchen machen.

Fotos: Wikipedia, Facebook – Fotomontage: P.Gläser

Epilog

„Wir dürfen die Vielfalt der körpersprachlichen Signale eines Menschen nicht ausblenden und sie nur auf ein einziges reduzieren. Sonst drohen Fehlinterpretationen . . .

Fotos: Wikipedia, Facebook – Fotomontage: P.Gläser

. . . Nur eines lässt sich übers Arme verschränken generell sagen: Sie wirken mit dieser Körperhaltung nicht besonders aktivitätsbereit. Evolutionstechnisch war eine solche Pose eher von Nachteil: Wenn der Säbelzahntiger um die Ecke kommt – bis Sie da Ihre Arme entwirrt haben, ist Ihr linkes Bein schon in seinem Magen.

Wollen Sie Ihren Mitarbeitern, Kollegen oder Kindern also vermitteln: „Ich bin dabei! Jetzt gehen wir es an!“, wird das mit verschränkten Armen ziemlich unglaubwürdig wirken. „

Die Wahrheit über Körpersprache – Auszug einer Betrachtung von Stefan Verra im manager magazin vom 12.07.2017: