Normalerweise lese ich Kettenbriefe nicht und leite sie erst recht nicht weiter, auch wenn ich dann angeblich mein Seelenheil verliere oder nie wieder glücklich werde. Dieser Kettenbrief, liebe Leserinnen und Leser, ist eine Ausnahme. Ich erhielt ihn heute von Campact (www.campact.de). Bitte leiten Sie ihn an Ihre Freundinnen und Freunde und Ihnen bekannte Emailadressen weiter.

Der Brief

Mit „Grafik kopieren“ lässt sich der Brief sehr einfach weiterleiten

Ich habe mir die Empfehlungen selbst auch genau durchgelesen und über ihre Bedeutung nachgedacht. Ein Vorschlag: Zögern Sie nicht, dies auch zu tun. Zwar machen schon lange mehr oder weniger lustige Fotos im Kontext mit dem Corona-Virus die Runde, tragen zur Versachlichung oder Vorbereitung aber natürlich kein bisschen bei. Ich denke, es geht Ihnen auch so, dass Sie sich an diese Situation, obwohl sie sich seit Wochen abzeichnet, erst noch gewöhnen müssen. Mir jedenfalls geht es so.

Schwachsinn und Bösartigkeiten im Netz sind grenzenlos

Ich bewege mich medial nur im Internet und – für Opas ein Muss – bin bei WhatsApp unterwegs. Dafür geht schon genug Zeit drauf. Von anderen (angeblich) sozialen Medien lasse ich die Finger, tummele mich allenfalls mal auf deren mitgliedschaftsfreien Seiten.

Die WhatsApp-Gags, die sich mit Hamsterkäufen, Klopapierbergen, Mundnasenschutzvarianten oder leeren Nudelregalen befassen, erhalte ich täglich, so wie sicherlich die meisten von Ihnen. Und natürlich leite ich sie auch mal weiter. Sie sind mal pfiffig, mal geschmacklos und sicher auch ein Weg, mit den Ängsten angesichts der unsichtbaren Virenbedrohung umzugehen nach dem Motto: Lachen, solange es zum Heulen noch zu früh ist. Und spätestens jetzt, in Anbetracht der realen Pandemie-Maßnahemen, sind sie langsam ätzend. Bösartige habe ich keine erhalten.

Bösartig sind aber die Botschaften auf den Homepages gewiefter, selbsternannter Therapeuten, Naturheiler, Quacksalber und Scharlatane beiderlei Geschlechts, die neben ihren Hilftgegenalles-Produkten auch noch ihre Büchlein über die Mobilisierung der Selbstheilungskräfte und/oder die wahren Wege zum Glück (usw.) vermarkten wollen.

Das wirklich Schlimme dabei ist, dass sie im selben Atemzug die abstrusesten Verschwörungstheorien loswerden, geschickt mit wissenschaftlichen Halbwahrheiten und/oder halbwissenschaftlichen Wahrheiten jonglieren und mit diesem populistischen Geschwafel zusätzlich und sehr gezielt abstruse politische Theorien verbreiten. Ein kleines Beispiel:

Diesen verschwörungstheoretischen Nonsens schreibt der Herr Gräber zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits seit Wochen exakte Corona-Fallzahlen für Jedermann im Netz verfügbar und abrufbar sind. Und dann stellt er auch noch wegen der Tatsache, dass die meisten Fälle ziemlich problemlos verlaufen, generell das Impfwesen bei anderen Erkrankungen infrage. Das ist schon fast gemeingefährlich.

Quelle: Coronavirus COVID-19 Global Cases by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE)
at Johns Hopkins University (JHU)
Quelle: Coronavirus COVID-19 Global Cases by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE)
at Johns Hopkins University (JHU)

„Bloß kein Ibu bei Corona!“

Allerübelst sind natürlich auch Sprachbotschaften per WhatsApp, die als persönliche Information in Kettenbriefmanier (unbedingt weitersagen) daherkommen und in denen dringend vor allem Möglichen gewarnt wird.

So wie die von gestern Abend, gerichtet an alle, die bei sich selbst Corona-Symptome vermuten: „Bei Corona-Symptomen bloß kein ibuprufen schlucken!“ lautet die Botschaft. Die Verschlimmerung des Krankheitsverlaufs bei gleichzeitiger Ibu-Einnahme wird sogar prozentual angegeben. Die freundlschaftlich rüberkommende, bekümmerte Frauenstimme beruft sich dabei auf die Universität Wien und dort auf mehrere (namenlos bleibende) Oberärzte.

In diesem Fall genügt es gottseidank, „Ibu“ und „Corona“ bei Google einzugeben, um den Schwindel auffliegen zu lassen. Aber bei den Wunderheilern ist das natürlich schwieriger. Und besonders schlimm ist dabei, dass die Parolen dort meist auf eine Leserschaft treffen, die sowieso schon auf der Suche nach einfachen Lösungen und aus Unsicherheit auch noch besonders empfänglich für diese abstrusen Theorien ist.

Wenn ich mir also vorstelle, dass diese bescheuerte Sprachbotschaft über WhatsApp innerhalb kürzester Zeit auf abermillionen Smartphones gelandet ist, wird´s mir schnwindlig.

Quelle: Deutsche Apotheker Zeitung online

Wir sind einfach zu ruhig!

Da kann die Politik verzapfen, was sie will und es gibt keinen kolletkiven, millionenfachen Aufschrei via WahtsApp nach Art der obigen Warnung. Auch nicht, wenn das politische Handeln mal gerade wieder komplett abstrus und/oder dreist ist. Ob es jetzt der Hickhack um die Verantwortlichkeit bei Mautverträgen ist, die Diskussion um Tempo 130 oder eine klare Position gegen Rechts – da kommt nichts. Aber bei „bloß kein Ibu bei Corona“ funktioniert das. Seltsam!

Bekomme ich per WhatsApp einen solchen Schwachsinn, macht mich das per se schon wütend. Dabei sind das ja alles Absender aus meinem Telefonregister, also Leute, die ich mehr oder weniger gut kenne, die solchen erkennbaren Schwachsinn kommentarlos weiterleiten, manchmal aber auch mit Kommentaren wie „da kann man mal drüber nachdenken“ oder „auch interessant“ oder so ähnlich und damit auch noch einen Wahrheitsgeshalt andeuten. Sie kennen das bestimmt auch. Das muss sich, m.E. ändern.

Bundespräsident Steinmeier hat vor wenigen Tagen gesagt, „die sogenannte schweigende Mitte im Land, die friedlich zusammenleben wolle, sei zu lange ruhig gewesen“. Er meinte damit das Schweigen gegen Hass und Gewalt. Und genau das gilt aber auch hier: Wir sind einfach zu ruhig.

Wir schweigen lieber, wenn wir selbst über die „sozialen“ Medien mit Müll belästigt werden, auch weil er von Menschen kommt, die uns immerhin so nahe stehen, dass sie unsere Handy-Nummer haben. Ich, für meinen Teil, bin entschlossen, daran etwas zu ändern oder zumindest gegenzuhalten.

Sonnige Frühlingsgrüße und: Bleiben Sie gesund!

Ihr Peter Gläser