Ratlos auf dem Rad, titelte neulich die Rheinpfalz am Sonntag. Unter Überschriften wie: Platz da!, „Riwwer niwwer!“, „Ende Gelände!“, „Wo jetzt?“, „Passt das?“, „Das wird eng!“ oder auch „Gefährlich!“ hatten Leser*innen ihre Fotos eingeschickt mit eklatanten Planungsmängeln und -fehlern von Radwegen. Darunter auch das Teilstück unseres Alsenztal-Radweges zwischen Schweisweiler und Imsweiler, bei Radelnden gefürchtet, für Begegnungsverkehr viel zu eng, nah an der Bundesstraße.
Halb leer / halb voll
Statt aber froh zu sein, wenn schon eng, dann wenigstens gut geschützt radeln zu können, muss gerade diese Stelle immer wieder herhalten, wenn es um das Thema Radwegenetz geht, das Glas wird halb leer empfunden statt halb voll, obwohl an dieser Stelle eigentlich nichts anderes machbar ist. Aber diese Betrachtung behördlichen Handelns durch die Bürger*innen ist ein anderes (und ja auch Corona-)Thema. Wenn aber Institutionen an dieser Stelle ihrer Pflicht zum Nachschneiden von Pflanzen nicht nachkommen und das Durchkommen dadurch zur (Haut- und Klamotten-)Reißprobe wird, dann darf da ruhig geschimpft werden, dann ist das Glas halb leer – auch bei mir. Wenn die Institution eine schnellere, bessere Lösung erkennbar verschliefe, wäre ihr das sicher auch anzukreiden, aber nicht, wenn mit Betonscheiben Leben geschützt werden sollen. Das musste jetzt mal zur Ehrenrettung der Institutionen gesagt werden.
Es boomt an allen Ecken
Ich verwende so viele Zeilen auf diesen Radwege-Abschnitt, weil sich daran doch einiges festmachen lässt, was die Entwicklung der Beziehung Mensch, Verkehr und Fahrrad betrifft. Die rasante Akzeptanz und Entwicklung der Fahrradgattung E-Bike, das Coronavirus, das die Menschen im eigenen Land festhält, die Verbreitung der Erkenntnis, dass ein jeder etwas gegen den Klimawandel unternehmen kann und, last not least, das Streben nach körperlichem Wohlbefinden sorgen massiv dafür, die bisherige stiefmütterliche Be- und Abhandlung des Themas „Fahrradfahren – eine gleichberechtigte Fortbewegungsart“ ad acta zu legen. Dieser Boom mit gehörigem Wachstumspotential lässt diesem Thema endlich die entsprechende Aufmerksamkeit angedeihen.
Das Rad im VG-Rat
In der letzten Sitzung des Verbandsgemeinderates Nordpfälzer Land sorgte ein etwas diffus formulierter Antrag der FDP insofern für spannende Momente, als dass dem Bürgermeister, selbst Befürworter eines breit angelegten, Grenzen überschreitenden Konzepts für Drahteselwege, aus den eigenen Reihen der Zorn entgegenschlug, dass man auf solche Konzepte schließlich schon seit Jahren warte, aber vergeblich, daher auch keines mehr brauche und „jetzt endlich was passieren“ müsse. Der dermaßen begeisterte wie zornige Radler schilderte aus eigenem Erleben die Schwierigkeiten, denen er allerorten begegnet.
Dann kam auch noch ein äußerst vernünftiger Vorschlag der grünen Fraktion: Der Herr Bürgermeister möge doch, statt der ewigen aufgeblähten „Radfahren- und Tourismuslitanei“, bitteschön, vor allem auch den zwischenörtlichen Verkehr oder auch den Radweg zum Arbeitsplatz ins Auge (und zwar schnell und ohne großes Konzept) fassen. Man könne doch jede Menge Wege, die ja schon da sind, in trauter Eintracht mit der Landwirtschaft nutzen. Also Stichworte „Mobilität“ und „E-Mobilität“ statt „Radtourismus“. Auch dieser Beitrag war dem Bürgermeister kein einziges Wörtchen wert, stieß folglich auf komplett taube Ohren. ER will keine teuren Einzelmaßnahmen, ER braucht IM SINNE des GROSSEN GANZEN das UMFASSENDE KONZEPT durch ein Fachbüro. Punkt. Abstimmung. Einstimmig. Keine Enthaltungen. Also auch mit den Stimmen der Kritiker. Unglaublich? Ja, aber leider wahr.
Auch wer nix macht, macht was
Es bleibt also erst mal dabei: Nix passiert. Aber auch wer nix macht, macht ja was. In diesem Fall opfert er die Verbesserung vieler kleiner bestens bekannter Mängel (im Cullmann-Sprech die unkoordinierten „Einzelmaßnahmen“, die Geld kosten) auf dem Altar der politischen Eitelkeit und dem schönen Nebeneffekt, in diesem ganz speziellen und in solchen Fragen natürlich ungeheuer erfahrenen Büro aus dem Rheinland nicht nur den idealen Planungspartner zu haben, sondern natürlich auch einen Schuldigen, wenn mal wieder nix rauskommt beim Konzept. Das ist doch auch eine Motivation. Mit diesem Büro ist er nach eigenem Bekunden in seinem „Wort zum Samstag“ im WoBla schon lange im Gespräch und auf der Referenzliste dieses Büros findet sich auch tatsächlich die alte VG-ROK. Auch für den Kreis haben die schon gearbeitet. Als Gradmesser für die behauptete Effizienz und intensive Gespräche taugt der Referenzeintrag allerdings nicht: Er ist von 2016. Und passiert ist ja seither bekanntlich: NIX!
Der ominöse Herr Z
Es ist schwierig, öffentlich zu schreiben, wenn man mit dem Protagonisten befreundet ist. Deshalb stelle ich die notwendige sachliche Distanz her, indem ich meinen Freund Rudi Zapp für die Dauer dieses Beitrags einfach als „Herr Z“ bezeichne. Es geht ja auch gar nicht um ihn, sondern es geht immer noch um den FDP-Antrag und die Argumentationen des Bürgermeisters. Er spielte wegen des Antrags zunächst den Beleidigten, schließlich sei er doch seit Jahren ein äußerst eifriger Befürworter der Drahteselmobilität.
Herr Cullmann hatte den Namen von Herrn Z selbst ins Spiel gebracht. Schon im TOP „Vereinsgründung Alte Welt“ hatte er ihn erwähnt. Ein Ratsmitglied hatte wohl bei anderer Gelegenheit behauptet, Herr Z habe Herrn Cullmann schon 2017 per Mail in die Thematik Alte Welt-Initiative eingebunden. Jetzt, in der Sitzung, bestätigt der Bürgermeister, dass er tatsächlich diese entsprechende vier Jahre alte Mail wieder gefunden habe.
Beim Radwege-Antrag, fällt dann wieder der Name: Herr Z habe sich, so der Bürgermeister, auch schon mit dem Thema Radwege befasst. Mehr sagt er nicht dazu. Er verliert kein Wort darüber, dass Herr Z sich seit langer Zeit ehrenamtlich darum kümmert, Radwegeverbindungen zwischen den Kreisen Kusel, Bad Kreuznach, Donnersbergkreis und deren Verbandsgemeinden zu erkunden und auch nach Realisierungsmöglichkeiten zu suchen.
Und er verliert in der Sitzung auch kein Wort darüber, dass in diversen Ortsgemeinden seiner Verbandsgemeinde auf der Grundlage der Vorarbeiten von Herrn Z schon Beschlüsse gefasst wurden, die den Auftrag an seine Verwaltung beinhalten, angedachte und recht weit gediehene Überlegungen dieses Konzeptes weiterzuverfolgen.
Herr Cullmann hält es in diesem Kontext auch nicht für nötig, seinem Rat von der Sitzung vom Montag, dem 16.November vorigen Jahres im Ratssaal in Otterberg zu berichten, bei der die Verbandsbürgermeister Cullmann, Westrich (Otterberg) und A. Müller (Lauterecken) mit Herrn Z das Radwegekonzept Alte Welt diskutierten.
Womit wir bei den politischen Eitelkeiten sind. Es wäre Herrn Cullmann sicher kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn er Herrn Z im Hinblick auf den FDP-Antrag eine Gelegenheit gegeben hätte, das bisher Erarbeitete und die auch schon recht weitgehend abgestimmten Überlegungen den Damen und Herren im Rat zu präsentieren. Es geht nicht um Herrn Z, es geht um Herrn Cullmann, der eine Möglichkeit verpasst hat, sich mit seinem Rat vertrauensvoll und offen übers Rad zu unterhalten und erfolgversprechende Schritte in die Wege zu leiten.
Bürgerinformationssystem: Informationen satt
Ein Tipp für alle, die sich noch intensiver mit dem (aber nicht nur diesem) Thema beschäftigen wollen: Über all das kann man sich im Rats- und Informationssystem trefflich informieren, dort ist über die Homepage der VG alles abrufbar. Einfach mal in die Recherche gehen und das Suchwort „Radwege“ eingeben und schon kann man lesen . . .
Über Herrn Z, selbst leidenschaftlicher Vielradler, konnte man auch schon in der Rheinpfalz lesen, als er seine Vision der überregional radvernetzten Alten Welt erläuterte. Das Charmante an diesem Konzept ist ja, dass sich schon eine Menge geld- und genehmigungsgebender Menschen damit beschäftigt und es offensichtlich bis jetzt auch prinzipiell mitgetragen haben. Und das ist gemeinhin ein gutes Zeichen für ein Projekt, bei dem so viele in einem Boot sitzen müssen.
Apropos Ratsinformationssystem: Beim Stichwort „Radwege“ findet man auch die Niederschrift einer Verbandsgemeinderatssitzung vom 6.März 2018 (für schlechte Rechner: das war vor mehr als drei Jahren), in der es heißt: „ Anschließend erklärt Bürgermeister Cullmann, er wolle nun über die Priorisierung der folgenden Projektvorschläge beschließen:
– Flächendeckende Mobilfunkversorgung für die gesamte Verbandsgemeinde – Errichtung eines Gewerbegebietes an der B420 bei Alsenz und (Achtung) ganzheitliches Tourismuskonzept inklusive Radwegekonzept für die gesamte Verbandsgemeinde. Ihm liegt es einfach, so scheint´s, umfassend und groß zu denken. Auch wenn´s folgenlos blieb – bis heute. Das nenn´ ich Priorität!
Wenn der Architekt nicht weiterweiß, macht er einfach einen Kreis
In meinem Berufsstand ist das ein geflügeltes Wort. Die Politik bedient sich in Fällen des Nichtweiterwissens gerne des runden Tisches oder beauftragt ein Konzept. Das wird vergeben, da kann nämlich nichts schiefgehen, wenn´s schief geht. Dann waren´s die Fachleute. Mir jedenfalls graut, wenn ich an all die Konzepte denke, die in Stadt und VG in den letzten Jahrzehnten schon beauftragt, vorgelegt und bezahlt werden mussten und folgenlos verpufft sind. Außer den Städtebauförderungsprogrammen und der Dorferneuerung fallen mir auf Anhieb keine Konzepte ein, in deren Folge belastbar etwas geschehen wäre. Was macht es also für einen Sinn, erst ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln, das hinterher, wenn überhaupt, wieder in Einzelteile zerlegt in Förderanträge gepackt werden muss? Es geht doch sicher auch eine Nummer kleiner! Es wird Zeit verschenkt, sonst nichts. Zeit, in der andere die Förder-Gelder abgreifen.
Mobilität für die Bürger statt Konzepten für die Tonne
Dieses große Konzept ist vertane Zeit, während unsere VG noch „ganzheitlich plant“, realisieren andere dann schon. Und es bleibt nach wie vor ein Abenteuer, mit dem Rad aus den umliegenden Gemeinden zu Adient zu fahren, in die Schule oder einfach nur zum Eis essen. Mobil sein ohne Auto – das ist etwas anderes als die angekündigte Vermengung von Investitionen in die Radinfrastruktur über touristische Ansätze in Verbindung mit dem Alte Welt Verein, wie sich das Herr Cullmann vorstellt und auch abschließend formulierte.
„Mobilität“ war übrigens auch das Reizwort, diesen Beitrag zu schreiben. Ich las es in der Tagesordnung für die Stadtratssitzung morgen. Die CDU hat einen Antrag zum Thema Radfahren in ROK gestellt, sie will scheint´s über „Radwege in Rockenhausen“, also auch die in Dörnbach und/oder Marienthal reden. Die SPD kontert mit einem eigenen Antrag, sie will ein „Verkehrs- und Mobilitätskonzept für den gesamten Stadtbereich“.
Da ist es schon wieder, dieses Wörtchen „Konzept“. Es klingt einfach zu verführerisch staatstragend und so besorgt. Heiße Luft ist da programmiert. Wie beim „Nullenergiekonzept“ und anderen. O.K., in diesem Fall ist es vermutlich auch noch ein Stellvertreter-Kriegsschauplatz der Gegner der bereits beschlossenen Änderung der Verkehrsführung in der Bergstadt. Aber das ist nochmal ein anderes Thema.
Was den relativ schlicht formulierten CDU-Antrag betrifft, das Radfahren, da kennt man aus eigener Erfahrung die Probleme, die einem als Radfahrer*in zu schaffen machen. Aber deshalb muss wahrhaftig kein Konzept in Auftrag gegeben werden: Der Rad-Fördertopf des Landes bietet neben Geld auch jede Menge Unterstützung und Information, Monzel+Bernhard und igr, Büros, die Wege planen können, sind auch da, Farben für Striche und Markierungen hat im Zweifelsfall der Bauhof, stabile(re) Ständer für die teur(er)en Rösser aufstellen kann er auch, die Radfahrclubs und (!) Autoclubs bieten Hilfe.
Also, am besten mal nicht so aufgeblasen an das Thema drangehen. Aber drangehen – darauf kommt´s an. Und zeitnah natürlich. Denn für das umfassende Verkehrs- und Mobilitätskonzept muss doch wahrscheinlich zuerst das Ergebnis der Wohnungsbaustudie abgewartet werden . . .
Alla dann, ich bin gespannt, was morgen rumkommt.
Herzliche Grüße, Ihr Peter Gläser
Sehr gut !
Man darf gespannt sein ob das genauso schnell geht wie der Ausbau des Mobilfunknetzes oder die lang versprochene Glasfaseranbindung auf den Dörfern oder die Sanierung der Straßen. Ein Konzept muss halt gut durchdacht sein, das braucht Zeit, viel Zeit. Sind wir doch mal froh dass es bereits „angedacht“ (bei diesem Wort stellen sich automatisch die Nackenhaare) ist ! Das Glas ist damit immer halb voll 😉
Vielen Dank für die Blümelcher 🙂
Es könnte so einfach sein, wenn alle, die von der Gemeinsamkeit in einem Boot reden, es auch so meinten. Sich echt in die Riemen legen, das machen nur wenige, Kapitän spielen wollen sie dann aber alle.
Als vor ein paar Jahren die L388 zwischen Heiligenmoschel und Gehrweiler ausgebaut wurde hoffte man vergeblich auf einen Radweg. Dass von Gehrweiler nach ROK sich etwas tut, und wenn es nur ein zusammenhängender Wirtschaftsweg wäre, überfordert wohl sämtliche mit diesen Konzepten beteiligten Personen.
Vielen Dank für den Kommentar, bei Frau Illner beklagte Herr Lauterbach die schwache Ausprägung der Bereitschaft zum pragmatischen Handeln. Bedenkenträger und Wohlfühlpolitiker haben das Sagen. Auf Pälzisch übersetzt: Es gibt zu viel Schloofkepp!