Der amtierende Bürgermeister, Karl-Heinz Seebald, in früheren Wahlkämpfen höchst selten im Haustür-Wahlkampf unterwegs, verteilte in dieser Woche höchstselbst einen persönlichen Brief an die Haushalte. Er wirbt darin um die Unterstützung zu seiner Wiederwahl: Nach 30 Jahren als Bürgermeister möchte er für eine weitere 5-jährige Legislaturperiode dieses Amt ausüben.

Quelle: KH Seebald – Foto: P.Gläser – Brief an die Haushalte

Michael Vettermann, der Kandidat der FDP für das Bürgermeisteramt entschloss sich, selbst zu kandidieren, als er erfuhr, dass Herr Seebald nochmal antreten wird. Nicht gleich mit Kandidatur, aber mit sehr viel Unverständnis reagierte die überwiegende Mehrheit der Menschen, mit denen ich seither über das Thema gesprochen habe.

Der Brief diese Woche hat mich erneut über mögliche Gründe für seine Kandidatur nachdenken lassen. Er wirbt äußerst emotional um Stimmen, lässt dabei Larmoyanz und Selbstkritik durchscheinen, predigt eine Gemeinschaft, die er zuvor ziemlich eiskalt missachtet hat, stellt sich ein gutes Zeugnis aus, wirft die ganze Fülle ehemaliger Ämter und aktueller Mandate in die Schale um dann seine Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung anzudienen.

Ich habe dann versucht, hinter dem ganzen Pathos den Gründen für seine erneute Kandidatur auf die Spur zu kommen. Ich dachte mir einen Versuch aus: Ich schlüpfe in seine Rolle und schreibe selbst diesen Brief. Aus diesem Versuch wurden dann sogar mehrere Briefe. Fiktion, Spekulation, Satire – bis hin zur Utopie – von allem ein wenig.

1. De Rockehäuser Brief

Liebe Rockenhäuser,

ihr werre lache, awwer obner´s  glaawe oder net, ich trät´ gradselätz nochemohl ahn un loss mich zum siebte Mohl als Bürjermäschder wähle. Wenn ich das jetzt doch schon 31 Johr gemacht hann, schaff´ ich das doch aach locker nochemohl 5 Johr, warum dann net? Ich bin doch erscht ähnesibzisch un fit wie e Turnschuh´.

Außerdem läb´ ich jo schon ewich do in Rockhause un ich kenn´ aach e Haufe Leit – was willschde meh? Un wie´s so ist: Mei Fraa is immer froh, wenn ich ausem Haus un aus de Fieß bin. Ihr siehn – ich bin also rechelrecht prädeschtiniert für Bürjermäschder zu mache.

Un dann hann ich als Rentner jo aach werklich mehr Zeit als genuch dodefohr. Dodezu kommt awwer aach noch (nur unner uns gesaaht), dass ich das Geld, wo ma dodefor grieht, doch ruhich noch mitnemme kann, weil das dann jo die wenichere Prozente von meiner 100%-Pansion wettmache duht. Das is also so e richtiche Win-Win-Situation, wenn na wisse, was ich mähn.

Was ihr jo aach schon lang wisse is, dass ich ziemlich gudd im Redde bin. So ähner wie mich kannschde halt iwwerall gudd gebrauche: Am Geburtstag, uffem Friedhof, im Pachen, beim Kahnweiler – grad egal was es is, mir fallt immer ebbes in, was ich dann sahn kann. Weil, es kommt jo gar net droff ahn, was de jetzt sascht, die Hauptsach´ is, du sascht üwwerhaupt ebbes.

Un was aach noch wichtich is: Du muschd de Rockehäuser Mussik gewwe (das hat doch schon de Nero gewisst)! Mussik muschde mache losse, dann isses gudd. Momendahn han ich zum Beischpiel vor, für e Haufe Geld Katzemussik mache se losse, awwer so richtich megamässich, das sahn ich eich. Un ihr kennes glaawe, die Leit komme dann von iwwerall her, also von Dannefels oder Grünstadt odder manche sogar von Kerchem.

Un wenn ich dann noch de Leit verzehl, dass dodenoh viel meh Leit no Rockehause ziehe wolle, als devor, dann bin ich de King.

So! Ihr siehn also, dass ich ruhisch nochemohl für eich Bürjemäschder mache muss un ihr mich ganz beruisched nochemohl wähle kenne.

Alla dann, machen am Sonndaach eier Kreizjer bei mir un meine Kumpels von der SPD – dann bleibt alles wie´s war.

Danke aach und e scheener Gruß, Euer Karl-Heinz

2. Der offene Brief

Liebe Rockenhausener,

jetzt fallen Sie bitte nicht vom Hocker, aber bei der kommenden Wahl kandidiere ich erneut als Stadtbürgermeister.

Warum ich Ihnen das antue? Ich kann einfach nicht anders, denn wenn man das so lange gemacht hat wie ich, wird´s zur Sucht. Ich weiß selbst, dass es Blödsinn ist, ich hab´ ja wirklich nicht mehr den Drive, den ich als Junger hatte, aber wie das so ist als „Süchtiger“, man findet 100 gute Gründe, erst übermorgen oder überübermorgen aufzuhören.

Und dann ist da ja auch die Angst. Würden Sie gerne in der Bedeutungslosigkeit versinken? Das tut man schließlich, wenn man aufhört und nicht weitermacht. Ein Alptraum ist das doch! Gut, manche legen dann beim Psychiater Geld hin für eine Change-Therapie, bei der sie lernen „nichts“ mehr zu machen. Das ist aber nunmal so gar nicht mein Ding. Ich mach´ lieber weiter und lass´ MIR dafür Geld geben – und gut ist.

Klar, ich weiß´ auch, dass ich mit 71 längst nicht mehr die Kraft habe, mich so einzusetzen, wie es das Amt in harten Zeiten eigentlich erfordert. Aber wenn es doch schon die letzten Jahre immer noch „irgendwie“ gut gegangen ist, warum dann nicht doch noch ein siebtes Mal, warum soll ich dann aufhören?

Und dann hab´ ich auch noch Angst wegen meiner blöden „ungelösten Fälle“: Sreit ums Museum Pachen, unser Wasserschloss, weit und breit kein Städtebau-Förderprogramm usw. usw. – ich will einfach nicht, dass da jetzt ein Neuer in meinen Akten rumfummelt.

Sie sehen also, liebe Rockenhausener, ich kann jetzt nicht einfach so aufhören, selbst wenn ich wollte. Das geht nicht!

Gewöhnen Sie sich also einfach an den Gedanken, dass Sie mich nochmal 5 Jahre aushalten müssen. Therapeutisch gesehen ist das positive Mittragen meiner Entscheidung für Sie sowieso am besten: Ärger macht nämlich krank.

Deshalb freunden Sie sich einfach mit meiner Entscheidung an und tun Sie mir und auch ihnen einen Gefallen, indem Sie mir und meinen roten Freunden*innen Ihr Kreuzchen geben.

Alles klar? Danke dafür, Ihr KHS

3. Der utopische Brief

Liebe Rockenhausener,

am kommenden Sonntag werden Sie Ihren neuen Stadtbürgermeister wählen. Ich habe dank Ihrer Unterstützung dieses Amt 31 Jahre ausüben dürfen und ich habe das für meine Heimatstadt auch sehr gerne gemacht. Es kann nicht alles falsch gewesen sein, denn sonst hätten Sie mir sicher nicht so oft das Vertrauen ausgesprochen trotz meiner Ecken und Kanten.

Dafür bedanke ich mich. Ich bedanke mich aber auch bei allen Weggefährten*innen, mit denen gemeinsam ich Rockenhausen voranbringen konnte, allen voran den Mitgliedern in den vielen Stadträten, die diese Entwicklung über Parteigrenzen hinweg mitbetrieben haben.

In den Reihen meiner Partei, der SPD, fanden sich diesmal keine Kandidaten*innen, die sich der anstehenden Wahl des Bürgermeisters stellen konnten. Dafür wurde ich in den Reihen der FDP fündig, unserem langjährigen Koalitionspartner. In intensiven Gesprächen mit meinen Parteifreunden*innen und unserem Koalitionspartner habe ich erkannt, dass es für unser schönes Städtchen am besten wäre, wenn ich Ihnen Michael Vettermann, FDP, als gemeinsamen Kandidaten von FDP und SPD für das Bürgermeisteramt vorschlage.

Mit Ihrer Stimme für Michael Vettermann als Bürgermeister und mit Ihren Stimmen für die Stadtratskandidaten*innen der SPD können Sie dafür sorgen, dass ihm meine Fraktion ein starker Partner sein kann, die schwierigen Zukunftsaufgaben zum Guten für unser Städtchen zu lösen.

Ich bitte Sie hierfür um Ihre Unterstützung.

Aus Liebe zu Rockenhausen, Ihr KHS

Aus Fiktion, Spekulation und Satire ergab sich die Utopie. Sie hätte die Lösung sein können:

Michael Vettermann wäre dann Bürgermeister, Karl-Heinz Seebald wäre Beigeordneter für Kultur + Jumelage und Rechtsangelegenheiten, die SPD hätte noch eine Mehrheit, aber vermutlich keine absolute mehr, FDP + SPD würden koalieren, die CDU und freie Wähler würden kooperieren, wie sie das auf Stadtebene schon immer gemacht haben…

Schade – es hat nicht sollen sein!