Die 2-köpfige AfD-Fraktion im Kreistag stellte in der Sitzung vom 25.9. in Rockenhausen den Antrag, die technischen, rechtlichen Voraussetzungen und finanziellen Folgen zu prüfen, Sitzungen des Kreistags ins Internet zu stellen. Die Rheinpfalz berichtete am 1. Oktober darüber u.a.: „Ulrike Blasius, die für die Fraktion der AfD den Antrag einbrachte, begründete ihn mit dem Wunsch nach größtmöglicher Bürgernähe und Transparenz. Es gelte zudem, mehr Interesse zu wecken an der Kommunalpolitik. Im Antrag verwies die Fraktion auf das „Landesgesetz zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene“ von 2016, das dafür Möglichkeiten schaffe. . . .“ Um es vorweg zu nehmen:
3 Ja-Stimmen für den AfD-Antrag
Ich war in dieser Sitzung die meiste Zeit der einzige Zuschauer, ich repräsentierte ziemlich alleine die so gern bemühte „Öffentlichkeit“. Nur deshalb erlaube ich mir, Herrn Behnke von der Rheinpfalz in einem Punkt ganz entschieden zu widersprechen: CDU, FWG und SPD bliesen da keineswegs in ein Horn. Das war allenfalls ein Konzert von Piccolo-Flötchen. Ein fast larmoyantes und inhaltlich wenig überzeugendes Vetöchen war das, mehr nicht.
Statt sich mit einem „Antrag auf Prüfung“ zu befassen, ging es quer durch die Reihen gleich zur (eigentlichen) Sache, dem Gefilmtwerden.
Fraktionsübergreifender Tenor: Die meisten Räte*innen seien ja nur nebenberuflich tätig, sie hätten womöglich auch Angst, sich angesichts einer Kamera dann noch zu Wort zu melden, das Veröffentlichen sei aber auch überhaupt unnötig und verfehlt und außerdem würde man die Verfügungsgewalt über das Gesagte verlieren.
Und ebenfalls fraktionsübergreifend wurde das Argument bemüht, dass doch schon alles öffentlich sei: Tagesordnungen, Sitzungsvorlagen und -niederschriften, Protokolle, digitale Ratssysteme usw., das sei doch schon alles Realität, die Öffentlichkeit mithin ausreichend informiert.
Die Arbeit des Kreistags ist hinreichend öffentlich – zumindest theoretisch
Ich, als einzige ganzzeitig anwesende Öffentlichkeit an diesem Tag, dachte mir da: Ein interessierter Eisenberger oder Göllheimer hatte also für diese Sitzung die Wahl, sich entweder an einem normalen Werk(!)tag um 15 Uhr ins Auto zu setzen und dann (hallo liebe Umwelt) bei der Fahrt nach ROK auf Hin- und Rückfahrt 60 Minuten lang CO2 zu produzieren oder so lange täglich ins digitale Rats- und Informationssystem zu schauen, bis das Sitzungsprotokoll veröffentlicht ist.
Und dass das dauern kann, liebe Leserinnen und Leser, habe ich ja kürzlich berichtet und stelle es hier in unserer VG auch immer wieder fest. Begründet wird es mit der Überlastung des Personals.
Vergebliche Pro-Argumente der FDP
Doch zurück zur Sitzung: Richtig kräftig ins Horn stieß Herr Ritzmann, FDP: In nahezu leidenschaftlicher, engagierter Rede befürwortete er eine Sitzungsübertragung. Im Gegensatz zu allen Vorrednern*innen sieht er nämlich „die Kommunalpolitik völlig auf Augenhöhe mit der „professionellen“ Politik eines Bundestags und Landtags.“
„Wir arbeiten mit derselben Legitimation“, wandte er sich gegen das Argument der unterschiedlichen Politikebenen. Der Kreistag hätte nun durch das Streamen die Möglichkeit, seine Reichweite zu vergrößern. Ritzmann sah die Ablehnung zudem nicht auf die Sache bezogen, sondern auf den Antragsteller, die AfD. Es komme aber auf das Argument an und nicht auf den Sender, zitierte er den Philosophen Karl Popper. Er sei auch für einen guten Vorschlag, der von der AfD komme, zu gewinnen. Schreibt die Rheinpfalz.
Konsequent ist anders
Das war zwar gut argumentiert, aber, wie das Ergebnis der Abstimmung zeigt, leider kein bisschen erfolgreich. 3 waren dafür, der Rest war dagegen oder enthielt sich.
Dabei ging es ja eigentlich zuerst mal nur um einen Antrag auf Prüfung. Argumentiert haben aber alle, als ob es bereits um die Sache als solches ginge. Und gerade da ist das Votum aber am wenigsten nachvollziehbar. Schließlich sind doch etliche/die meisten(?) der Nein-Sager*innen schon längst auf allen möglichen eigenen oder Verbands- und Partei-Kanälen unterwegs. Da wird doch schon längst getwittert, in Facebook gepostet, es wird gemailt und immer weiter- und weitergeleitet und alle möglichen WhatsApp-Gruppen werden bedient. In den Sitzungen gibt es doch auch kaum einen Platz, an dem nicht, mehr oder minder offensichtlich und öffentlich, Smartphone und/oder Tablet bemüht werden.
Lässt denn das, was bei all dem Hantieren im Netz landet, nicht auch Rückschlüsse oder Fehlinterpretationen auf die jeweiligen Sender*innen zu. Erst recht, wenn es fleißig mit Bildchen unterlegt wird (und da wird sich auch nicht vor jedem Bild geschminkt – ja auch das wurde zuvor als Argument gebracht)?
Und ob mit oder ohne Schminke, jedes Bild sagt doch bekanntlich sowieso mehr als 1000 Worte! Und der Tweet oder Facebook-Beitrag, der nicht in irgend einer Form missbraucht werden kann, den gibt es auch nicht!
Ungewollt ein Punktsieg für die AfD
Dieser Beschluss, die Ablehnung des Prüfantrags ist das sprichwörtliche Wasser auf die Mühlen der AfD. Die braucht doch für ihre Bauernfängerei nichts dringlicher als solche rhetorischen Feindbilder: Sie will Transparenz, das politische Establishment beschliesst ein Filmverbot – das ist eine Steilvorlage. Aber per se natürlich erstmal kein Grund für eine Befürwortung. Das ist auch klar.
Besser und antragsbezogener klang daher, als der Landrat am Ende der Diskussion feststellte „Die Verwaltung hat die gewünschte Prüfung schon vollzogen.“ In der Landkreisordnung sei festgelegt, dass solche Übertragungen nur möglich seien, wenn nach gründlicher Vorinformation jeder Betroffene zugestimmt habe, und das sei vermutlich in der Realität kaum zu erfüllen. Schreibt die Rheinpfalz.
Das Störende in diesem Statement ist allerdings das Wörtchen „vemutlich“. „Vermutlich nicht“ ist doch das Erste, was einem dagegen einfällt. Das Urteil des Prüfauftrags bedeutet also allenfalls ein fifty/fifty und die AfD kann mithin ganz offiziell einen weiteren unnötigen Punkt verbuchen.
Kommt Zeit – kommt Film
In einer nicht allzu fernen Zukunft dürfte man über diesen Beschluss sowieso eher schmunzeln und auch dem Hornisten Ritzmann Abbitte leisten. Das ist dann, wenn die Spracherkennungs-Software beim Filmen so gut ist, dass das Protokoll den Räten*innen noch innerhalb der Sitzung ausgehändigt und im letzten Tagesordnungspunkt auch noch gleich beschlossen werden kann.
Einen schönen Brückentag in froher Hoffnung auf die modernen Zeiten wünscht Ihnen Ihr Peter Gläser
Nachtrag: Paranoia oder was?
Um ein Haar hätte ich´s vergessen. Ein kleines, aber feines „filmreifes“ Detail: Ich lauschte gerade dem nachgeschobenen Plädoyer des Abgeordneten der Linken (es ging um seine Ablehnung des Kreisbeauftragten für den Klimaschutz). In entspannter Haltung hielt ich mein elektronisches Notizbuch in der Hand und hörte zu.
Ich sah, wie Herr Cullmann, Bürgermeister der kommenden Groß-VG Nordpfälzer Land, aufstand und sich zu einer Mitarbeiterin der Verwaltung bemühte. Wenig später stand genau diese junge Dame neben mir und (bitte festhalten) sie wies mich daraufhin, dass Tonaufnahmen von Sitzungen verboten seien . . .
Leider ergab sich keine Gelegenheit mehr, den Vorsitzenden, Landrat Guth, zu fragen, ob er zu dieser Aktion zuvor sein OK gegeben hatte. Aber spätestens jetzt ist für mich klar:
Besserer Schutz für die Öffentlichkeit – der „Videobeweis“ muss her!
Ein Gruß in die Runde
Wir sind im Zeitalter von e-government e-Akte, Elster und Tele-Medizin, kurzum in der Digitalisierung angekommen und Berührungsängste sind kein guter Berater. Über die Präsentation des Video-Stream, wie z.B.rechtliche Hintergründe, Dauer der Verfügbarkeit und anderer Ausgestaltungsmöglichkeiten hätte man sich doch unterhalten können, auch Erfahrungswerte in Lkr. die den Stream anbieten recherchieren, es wäre zumindest der Versuch gewesen vielleicht das ein oder andere Bedenken auszuräumen und dann anschließend abzustimmen.
In Hessen ist der Stream tlw. gängige Praxis.
Bezüglich der Legitimation stimme ich Herrn Ritzmann zu, werden doch weitreichende Beschlüsse gefasst, als legitimiertes Verwaltungsorgan des Kreises.
Als weiteres PRO Argument möchte ich die Barrierefreiheit anfügen. Für gehandicapte(hierzu zähle ich selbst) und ältere Mitbürger*innen wäre der Stream ein Angebot ohne große Mühe teilzuhaben. Ich kenne das Gegenargument „ wir haben ja einen Aufzug“, nur, auch dort muss man erst mal sein.
Auch die Ortsbürgermeister, meistens auch berufstätig, könnten profitieren und wichtige Informationen in die nächste Gemeinderatssitzung einfliessen lassen, der Informationszugang wäre eine runde Sache.
Es ist schon alles öffentlich, ist dies wirklich so ? Selbstkritisch sollten sich die Räte*innen hinterfragen, inwieweit sie sich bemühen, dass zeitnah die Niederschriften den Bürgern, ihren Wähler*innen zur Verfügung stehen.6, 7, 8 Wochen und noch länger auf eine Niederschrift zu warten ist doch ein absolutes No-Go, frägt man zu oft nach, macht man sich auch noch unbeliebt.
Wie Sie, sehr geehrter Herr Gläser, schon dokumentiert haben, ist für 2019 keine einzige Niederschrift der Kreistagssitzungen zu finden, hier hätte doch schon längst interveniert werden müssen. Schauen wir in die VG – am Tag der konst. Sitzung im Stadtrat(26.06.2019), Herr Vettermann ist Bürgermeister, sind immer noch aus der vergangenen Legislatur etliche Niederschriften offen, zurück bis ins Jahr 2016 und ja, alles selbstverständlich öffentliche Sitzungen. Bei einem Anruf hat meine Gesprächspartnerin das Fehlen zunächst angezweifelt. Lücken gibt es auch beim VG-Rat und die Sitzungen vom 06.08. u. 13.08.2019 sind mittlerweile auch 8 und 9 Wochen her.
Bleibt uns „DIE RHEINPFALZ“für Informationen aus dem Rat und das Wochenblatt
mit auszugsweise amtl. Nachrichten.