Im letzten Blog habe ich die verheerende Ökobilanz des Wochenblatts aufgezeigt. Klar, der Werbemüll ist absolut unerträglich, aber er ist in diesem Fall nicht der eigentliche Skandal. Das eigentlich Skandalöse ist, dass nur, wer diesen Papiermüll bezieht, auch das Wochenblatt mit Amtsblatt erhält. Eine „unheilige Allianz“ habe ich das genannt. Es ist nicht die einzige Allianz, da kommt noch eine dazu: Die zwischen dem Wochenblatt und seinem neuen Titelseitenautor Michael Cullmann.

„Gehen Sie bei Tageslicht möglichst oft vor die Tür und genießen Sie die frische Luft.“ Oder: „Ich versuche jetzt schon an den nächsten Frühling zu denken.“ Diese Ratschläge präsentiert er z.B. in einer der letzten Ausgaben als Rücklauf seines Aufrufs: „Wie lassen sich mit den gegebenen Einschränkungen Nähe und Verbundenheit schaffen? Vielleicht haben Sie eine gute Idee, schreiben Sie uns: weihnachten@vg-nl.de.“ Das ist reinstes Moderatoren-Deutsch. „Sagen Sie uns, was Sie heute gefrühstückt haben, rufen Sie JETZT an!“ 

Auf diesem Niveau „moderiert“ Herr Cullmann jetzt schon seit einem halben Jahr durch alle Lebenslagen: Woche für Woche, 24 Ausgaben lang mit jeweils 150 bis 200 Zeilen. Das sind 5000 Zeilen hauptsächlich Beliebiges, wie banale Einsichten und wohlfeile Ratschläge. Das sind „News“, den Zeitungen und/oder Nachrichten nachgebetet und das ist jede Menge „Informatives“, wie das Zitieren von Landesverordnungen, Statistiken usw. rund um Corona. Das alles garniert er mit staatstragenden Statements zum Weltfrieden, zur Weltpolitik im Allgemeinen und, natürlich, zum Klimaschutz. Und ab und an findet sich dazwischen auch mal etwas Substantielles, etwa zu den Entwicklungen „seiner“ Verbandsgemeinde, zu KiTa, zu Schule oder zu Feuerwehr, Gewässerschutz und immer wieder Corona. Während der Woche also Frau Merkel, Herr Spahn, Herr Söder und wie sie alle heißen und dann, am Wochenende, Herr Cullmann, der in 200 Zeilen seinen Untertanen Bürgerinnen und Bürgern die Welt und die Pandemie erklärt.

Frage ich andere Leserinnen oder Leser, erhalte ich Antworten wie: „Ich läs´ das garnet!“ oder „Ich wäß´ aach net, was das soll.“ Zur ersten Antwort: Ich lese es immer. Muss ich ja, wenn ich mir eine Meinung bilden will. Bei der zweiten Antwort stimme ich zu: Ich weiß auch nicht „was das soll“.

Was mag ihn bewegen, sich und seine Befindlichkeiten 35.000 Haushalten und einigen mehr Menschen anzudienen? Warum z.B. glaubt er, dass jemand in Kibo oder im Zellertal Wert darauflegt, zu erfahren, dass sich der Nordpfälzer Land Bürgermeister (in der 49.Ausgabe) trotz aller Corona-Widrigkeiten „über die zweite Kerze freut am, bei der örtlichen Gärtnerei gekauften Adventskranz“? Oder was will er uns sagen, wenn er uns solche Synapsen-Kapriolen präsentiert: „Bei den Sterbefällen, bei denen Covid-19 als Grundleiden angegeben ist, waren rund ein Drittel jünger als 80 Jahre. Dabei fällt mir ein, dass wir als Verbandsgemeinde erst ab dem neunzigsten Geburtstag persönlich gratulieren und viele der Jubilare noch richtig fit sind!

Vielleicht sind seine Titelstorys ja zeitige Trockenübungen für eine neue Art Wahlkampf, also „Amts-BlaBla“ statt Twitter? Bemerkenswert ist immerhin, dass SPD-Offizielle meist namentlich und mit ihrer Parteizugehörigkeit genannt werden, „andersgläubige“ Offizielle hingegen nur „pauschaliert“ und selten namentlich auftreten.  

150 bis 200 Zeilen pro Woche schüttelt man auch nicht mal gerade so aus dem Ärmel. Da braucht es selbst bei routiniertem Runterschreiben schon ein wenig Zeit. Ist das dann die Zeit des Bürgermeisters oder die Zeit des Bürgers Michael Cullmann? und woher nimmt er diese Zeit – es sind doch Krisenzeiten? Oder hat ihn mit dem Einfahren des knappen Wahlsiegs der Schwung verlassen? Vielleicht lässt ihm aber inzwischen auch der Corona bedingte Wegfall seiner Funktionen als Glückwunsch- oder Schlüsselüberbringer zu viel Zeit? Aber wieso schreibt er dann an so exponierter Stelle – auf der Titelseite des Amtsblatts?

Mir und anderen Leserinnen und Lesern stellt sich die Frage: ist das in der Form überhaupt zulässig? Herr Cullmann schreibt und unterschreibt das alles immerhin als Amtsperson. Da steht kein Kürzel, MCU oder so, wie bei einem freien Autor, der nebenberuflich sein Salär ein wenig aufbessern will. Nein, er unterschreibt als „Ihr Michael Cullmann Bürgermeister“.

Jetzt ist das WOCHENBLATT DONNERSBERGKREIS auch gleichzeitig Amtsblatt der Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land. Und so stoße ich beim Googeln natürlich sofort auf eine ganze Menge gesetzlicher Regeln und Vorschriften zum Thema „Amtsblatt“. So sagt § 7.4.2 in der Verwaltungsvorschrift zu § 27 der Gemeinde-Ordnung: “ . . . Eine Eigenwerbung (Selbstdarstellung) für bestimmte Personen . . . mit dem Zweck der Unterrichtungspflicht ebenfalls nicht zu vereinbaren.“

Ist das vielleicht ein Grund dafür, dass die anderen Verbandsbürgermeister (gottseidank) nicht auch (noch) ein „Amts-Blabla“ schreiben? Weil sie eine solche Allianz für nicht o.k. halten. Weil sie es nicht o.k. finden, aus ihrer politischen Position heraus an so herausgehobener Stelle und in Nähe zum amtlichen Teil redaktionell-journalistisch tätig zu werden, und das dann auch noch als Amtsperson unterschreiben? Gibt es vielleicht auch Gründe im Presserecht, die dagegensprechen?

Eine ziemlich berechtigte Frage, liebe Leserinnen und Leser. Und ich weiß mich mit dieser Frage auch nicht alleine. Nicht nur ich habe den Eindruck, als habe sich Herr Cullmann das Wochenblatt nebst Titelseite quasi einverleibt. Andererseits hat er sich in der letzten Ausgabe aber auch „fest vorgenommen, mal wieder richtige Briefe auf Papier an Verwandte zu schreiben.“ Vielleicht belässt er es ja in Zukunft dann dabei, also Schreiben auf Papier statt Schreiben auf der Titelseite. Dann wäre der Spuk vorbei.

In dieser Hoffnung herzliche Grüße, Ihr Peter Gläser