Weihnachten naht. Es ist eisig im Flur, durch den Briefkastenschlitz fällt die Kälte. Eine extrem dicke Papierwurst hält die Klappe sperrangelweit offen. Die Pelle der Papierwurst: Wenige Seiten WOCHENBLATT DONNERSBERGKREIS mit „Amtsblatt Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land“. Das Füllsel dieser immensen Papierwurst aber ist deutlich gehaltvoller, zwar nicht an Qualität, dafür an Quantität:

Sage und schreibe 840 g Werbemüll !

Alle Großen der Branche buhlen damit um die Schnäppchengeilen unter uns. Die viel zu billigen Lebensmittel wollen schließlich verramscht werden, obwohl doch alle Befragten Wert auf Qualität und Regionalität legen. Zumindest sagt das die überwiegende Mehrheit in die Mikrofone, wenn gerade mal wieder ein Skandal die Fleisch- oder Milch- oder die Fischindustrie erschüttert. Verramscht werden soll aber auch das unübersehbare Angebot an Nonfood-Artikeln, an Nippes und Wegwerfkram, an Artikeln also, die eigentlich niemand braucht, bei denen es aber echt schade um die Rohstoffe ist, die für ihre Produktion drauf gehen.

Da liegt jetzt der ganze Werbemüll und die Aussichten auf eine Besserung bleiben trüb, denn das wiederholt sich ja Woche für Woche. Nicht immer mit satten 840 Gramm, aber weniger als 600 Gramm habe ich noch nicht erlebt. Das macht mich ziemlich zornig. Und dafür gibt es ein paar gute Gründe:

1.Grund: Mein Briefkasten-Aufkleber „Bitte keine Werbung“ ist dem SÜWE-Verlag offensichtlich völlig schnuppe. Er hat seine Austräger nach deren Auskunft angewiesen, das Amtsblatt nur mit Werbung einzuwerfen. Also: Keine Werbung, kein Amtsblatt.

2.Grund: Die Verwaltung habe ich auf diesen Tatbestand angesprochen und um entsprechendes Eingreifen gebeten. Die Verwaltung aber sieht sich machtlos. Zwar hat sie mein Anliegen vor einem halben Jahr wohl weitergeleitet, sieht aber sonst keinen Handlungsbedarf und auch keine „Bringschuld“. Ich könne das Amtsblatt ja auch auf dem Rathaus abholen oder im Internet lesen, empfahl man mir. Das ist dreist, finde ich. Schließlich zahlen die Werbekunden des Verlags doch ganz bestimmt gutes Geld für den Zustellservice ihrer Druckerzeugnisse. Und ich denke doch, dass auch unsere VG vom SÜWE-Verlag zur Kasse gebeten wird: Für die Position „Amtsblatt“ sind jedenfalls im VG-Haushalt stolze 50.000.- €, im nächsten Jahr sogar 60.000.- € eingestellt. Wieso bringt es die Verwaltung also als zahlender Auftraggeber nicht fertig, für klare Verhältnisse zu sorgen in dem Sinn, dass das Amtsblatt immer im Briefkasten landet, auch wenn keine Werbung erwünscht ist?

3.Grund: Unser Bürgermeister hatte sich in der letzten Periode darum gerissen, einen Bundfinanzierten Klimaschutzmanager installieren zu können. Im Alleingang. Die geplante konzertierte Kreis-Aktion „Klimaschutzmanager“ wollte er nicht abwarten und machte den Klimaschutz zur VG-Angelegenheit (Schmunzeln erlaubt). Was der VG-Klimaschutzmanager macht? Ich weiß es nicht und habe auch nichts Wesentliches darüber gelesen – auch nicht im Amtsblatt. Ich kann nur sagen, was er nicht macht. Schon längst müsste sein Veto gegen diese Konstellation „Amtsblatt nur mit Werbemüll auf dem Tisch liegen. Stattdessen toleriert die VG durch Nichtstun die völlig unakzeptable Ökobilanz dieser Werbeflut:

Ja. sie haben richtig gelesen: Sechs fußballfeldgroße Eukalyptusbaum-Plantagen (bei Fichten, die deutlich unergiebiger sind, sähe die Bilanz noch deutlich miserabler aus) landen in jedem Jahr in unseren Briefkästen als Papiermüll-Beilage zum Amtsblatt der VG-Nordpfälzer Land. Und das Jedes Jahr und nur für unsere Ausgabe, die ja nur einem Bruchteil der Gesamtverbreitung von 1,1 Millionen entspricht . . .

In Zeiten, in denen selbst große Konzerne ihren ökologischen Fußabdruck und ihre Lieferketten kritisch unter die Lupe nehmen, kann man dies sicher auch von der eigenen Verwaltung verlangen, zumal deren Chef ja bei jeder Gelegenheit und gerne den Kampf gegen den Klimawandel beschwört. Es ist also an der Zeit, zu handeln, diese Allianz zu hinterfragen und gegebenenfalls den Partner zu wechseln. Denn so, wie das jetzt läuft, Amtsblatt nur mit Werbemüll, ist das in etwa so, als würde eine katholische Pfarrei ihren Zweimonatsbrief nur zusammen mit dem Playboy und der Werbung für Spielhöllen o.ä. einwerfen lassen.

Ich hoffe also auf weniger gewichtige Amtsblätter im neuen Jahr. Ihnen alle guten Wünsche und bleiben Sie gesund,

Ihr Peter Gläser

Nachtrag 1: Überschlägige Ermittlung der Ökobilanz der wöchentlichen Werbebeilage zum Amtsblatt für die Ausgaben Rockenhausen und Kirchheimbolanden
Nachtrag 2: Vertrieb des Amtsblatts

„Die SÜWE Vertriebs- und Dienstleistungsgesellschaft mbH & Co.KG ist Herausgeberin von Anzeigenblättern und Amtsblättern in der Pfalz und in Nordbaden. Vermarktet durch das Mediawerk Südwest mit Sitz in Ludwigshafen bietet das Unternehmen auch Prospektverteilung und die Verteilung von Flyern in die Briefkästen der Leser. Die Werbung kommt so direkt in den Haushalt potenzieller Kunden.“ So beschreibt der Verlag sein Geschäftsgebiet. 15.250 Adressaten zählt die Auflage Rockenhausen mit den Verbandsgemeinden Nordpfälzer Land und Winnweiler. 20.300 die Auflage Kirchheimbolanden mit den Verbandsgemeinden Kirchheimbolanden, Eisenberg und Göllheim. Zusammen also 35.550 Exemplare. Gesamtauflage gem. Homepage ca. 1,1 Millionen.

Nachtrag 3: Quellen

Fotos und Fotomontagen: Peter Gläser

Cartoons by www.toonpol.com

Grafiken: Peter Gläser, SÜWE